„Deutschland versinkt im Plastikmüll“
In den ersten Monaten des Jahres ging eine Nachricht quer durch den deutschen Blätterwald: China macht ernst mit dem angekündigten Importstopp für Kunststoffabfälle, für die meistens jedenfalls. Davon ist auch Deutschland betroffen, wenn auch nicht ganz so massiv wie andere, die weniger inländische Verwertungskapazitäten zur Verfügung haben. Die deutsche Recyclingbranche kann dem Importverbot sogar etwas Positives abgewinnen, können sie sich nun doch angesichts des großen Angebots die besten Altkunststoffqualitäten aussuchen. Insofern führte das chinesische Importverbot auch in der Presse zu einer grundsätzlicheren Auseinandersetzung mit unserem Recyclingsystem, allerdings mit einigen Unterschieden zwischen Publikums- und Fachpresse.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), von der auch der Titel „Deutschland versinkt im Plastikmüll“ stammt, geht es um „gewaltige Mengen“. Ein Viertel des in Deutschland jedes Jahr in Haushalten, Gewerbe und Industrie anfallenden Plastikabfalls sei exportiert worden, davon die Hälfte nach China und Hongkong. Nun werde das Überangebot in Deutschland weiter wachsen „mit entsprechenden Folgen für Preise und Kosten“. Handel und Industrie befürchteten schon höhere Lizenzentgelte bei den dualen Systemen zahlen zu müssen, weil mit dem chinesischen Abnehmermarkt ein wichtiger Finanzierungsbaustein für das Recyclingsystem wegbreche. Laut FAZ waren Anfang des Jahres schon Verwerfungen auf dem Markt spürbar, die Systembetreiber hätten gerade für „Folien und andere weniger attraktive Produkte“ hohe Preisnachlässe oder gar Zuzahlungen an die Recyclingbetriebe in Kauf nehmen müssen. Das sei zwar zunächst positiv für die Recyclingunternehmen, doch stelle sich am Ende die Frage, wohin mit den Recyclingprodukten. Zum Überangebot an Eingangsmaterialien kommen noch die steigenden Recyclingquoten ab nächstem Jahr. „Wenn wir nicht wollen, dass daraus nichts als Parkbänke oder Ähnliches werden, wird die Politik aktiv werden müssen. Man wird den Einsatz von Recyclingmaterial befördern müssen“, wird Peter Kurth, Chef des Entsorgerverbands BDE, unter anderem in der FAZ und in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Laut der Süddeutschen gingen auch deutlich mehr Mengen nach China, nämlich über die Hälfte der in Deutschland anfallenden Kunststoffabfälle. Doch dies scheint unwahrscheinlich, glaubt man jedenfalls den Angaben in dem renommierten Fachblatt Euwid Recycling und Entsorgung, das sich auf Aussagen von Fachleuten beruft. Demnach gingen im Jahr 2016 insgesamt 767.000 Tonnen Kunststoffabfälle von Deutschland nach China und Hongkong, überwiegend aus Gewerbe und Industrie, wie z.B. Gewerbefolien, Produktionsabfälle, Hartkunststoffe und Big Bags. Im Rahmen der dualen Systeme gesammelte Kunststoffabfälle seien zu 90 Prozent in Deutschland verwertet worden. Nach China seien davon nach Expertenschätzungen rund 20.000 Tonnen gegangen.
Während die Publikumspresse in Richtung „Müllnotstand“ dramatisiert, finden sich in der Fachpresse eher Hinweise auf den Preisverfall für Kunststoffabfälle und die Konsequenzen, die Branchenvertreter fordern. Wie etwa das Fachmagazin Kunststoffe, das Experten vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) zitiert, die ein grundsätzliches Umdenken einfordern. „Es müsse deshalb so schnell wie möglich der Fokus daraufgelegt werden, dass schon bei der Produkt- oder Verpackungsentwicklung die Recyclingfähigkeit berücksichtigt wird“, schreibt Kunststoffe mit Verweis auf den bvse-Kunststoffexperten Thomas Probst. Darüber hinaus müsse die seit Jahren sträflich vernachlässigte Verbraucherkommunikation gestärkt und das öffentliche Beschaffungswesen für mehr Nachfrage nach Recyclaten genutzt werden, fordere der bvse-Vizepräsident Herbert Snell, wie auch die FAZ zitiert. Darin findet er offenbar Unterstützung von politischer Seite. So ließ etwa der Bundestagsabgeordnete und Berichterstatter für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Gebhart (CDU), laut dem Fachblatt Recyclingmagazin verlauten, dass die künftig höheren Recyclingquoten zwar richtig, aber nur der erste Schritt zu mehr Kreislaufwirtschaft seien. „Als nächsten logischen Schritt müssen wir Anreize schaffen, um die Einsatzmöglichkeiten von Recyclingmaterialien zu erleichtern“, so der CDU-Politiker.
Quellen:
6.01.2018, kunststoffe.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.01.2018, Nr. 4, S. 17
Frankfurter Allgemeine Woche, 05.01.2018, Nr. 2, S. 64
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.01.2018, Nr. 19, S. T1
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abfallwirtschaft-china-hat-genug-von-europas-muell-1.3811255
https://www.focus.de/finanzen/news/china-stoppt-importe-deutschland-bekommt-ein-muellproblem_id_8217532.html
Geschrieben am 08. Mai, 2018
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